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An das ESA im Jahr 2032

Ein Brief an die Zukunft

Erstellt von Marie Jagemann

Liebe ESA-Bewohner_innen im Jahr 2032,

ich hoffe ihr habt eine gute Studien- und Lebenszeit in dem Haus am Waldrand.

Jetzt ist es hoffentlich schon einige Jahre her, dass die Sanierung abgeschlossen ist. Vermutlich ist fast niemand mehr da von den Leuten, die für den Erhalt des Hauses gekämpft und bei der Renovierung mitgewirkt haben. 

Hier schreibt die 21-jährige Marie. Ich versuche euch einen kleinen Einblick in meine Zeit und mein Leben im ESA zu geben. Ich wohne hier seit September 2019. Ich bin eingezogen zu einer sehr unruhigen Zeit. Eine Sache stand aber schon fest: Das Haus ist relativ sicher, denn im Sommer 2019 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Darüber haben wir uns riesig gefreut, denn das Haus konnte nun nicht mehr abgerissen werden. Dann kam der Winter mit viel Unsicherheit und Fragen, die sich nur durch Zeit lösen ließen. Wir wussten nicht, wann und auch nicht von wem wir übernommen werden würden. Es hieß abwarten und schauen, was sich entwickelt. Natürlich auch noch ein bisschen an der Zukunft arbeiten. Erst im Juni 2020 wurde das Haus dann vollends von der Stiftung der TU Kaiserslautern übernommen. Seitdem haben wir einen wunderbaren Vermieter und Partner an unserer Seite, der uns auch durch die Renovierung und durch das Leben im Haus begleitet. 

Inmitten der Corona-Pandemie haben wir festgestellt, wie wichtig es ist mit anderen Menschen zusammen zu leben und nicht allein zu sein. Und die Gemeinschaft wurde vor viele Herausforderungen gestellt. Wie viel Besuch ist ok? Maske, Schnelltest, geimpft? Ich denke und hoffe das wir alle daran gewachsen sind. Schon ohne eine Pandemie, das Retten des eigenen Hauses, dem Stehen in der Öffentlichkeit, der anstehende gemeinsame Auszug … ist das Leben in Gemeinschaft eine Herausforderung.

Immer begleitete mich das Bild einer gelebten Utopie: Menschen die füreinander da sind, immer wenn es ihnen schlecht oder gut geht, oder wenn sie Hilfe brauchen; Sich nie alleine oder ausgeschlossen fühlen; Großartige fröhliche Gemeinschaftsaktionen; Sich ganz frei ausprobieren können; Manchmal kam ich mit dem ESA schon ganz gut daran. Doch es gab immer wieder Momente die meine Erwartungen an eine Gemeinschaft und meine Vorstellung zerschmetterten. Gegenwind zu meiner manchmal etwas stürmischen spontanen Motivation, meinem Dickkopf und meinem Traum, dass alle bitte lieb zueinander seien sollen. Ich habe das Haus geliebt, verflucht, bin geflüchtet und wieder gekommen. Ich musste lernen mit Kritik, Zurückweisung, Verletzung und Enttäuschungen besser umgehen zu können. Es war bestimmt nicht der leichte Weg, dennoch lehrte er mich.

Gute Erinnerungen habe ich dennoch auch gesammelt. Ich habe viele neue Menschen, Musik, Gerichte und natürlich Pflanzen kennengelernt. Ich habe viele interessante Gespräche geführt. Ich habe mich auch mit Nachhaltigkeit weiter auseinandergesetzt. Nachhaltig leben heißt für mich, und für viele andere im Haus auch, gemeinschaftlich zu leben. Nachhaltigkeit ist so viel mehr als Ressourcen sparen – was man gemeinschaftlich auch tut: Es gibt weniger Herde, wir nutzen zu zwanzigst eine Waschmaschine, verbrauchen natürlich auch weniger Strom, wenn wir zu fünft in einer Küche sitzen und nur ein Licht brennen muss.

Jeder, der an einen neuen Ort zieht, hat vermutlich in irgendeiner Art und Weise eine Vorstellung wie das Leben dort für einen aussieht. Wenn nun 20 Leute zusammenwohnen, jeder mit individuellen Vorstellungen, ist es vermutlich unmöglich diese alle zusammen zu bringen.

Nun aber zur Renovierung: Wir haben angefangen die Pflanzen von den Holzbalken zu reißen. Die Holzbalken sind ziemlich marode und wurden schon kurzfristig stabilisiert... Es wurde ganz schön viel ausgemistet. Das Haus sieht teilweise echt komisch aus, da die ganzen Pflanzen weg sind. Früher wuchs der Wein und die Kiwi bis ins oberste Stockwerk. Ich hoffe, dass bei euch schon etwas nachgewachsen ist. Pflanzen gehören einfach zum ESA dazu. Außerdem wünsche ich mir, dass wir endlich dem Ziel nähergekommen sind, so CO2-neutral wie möglich zu sein. Solaranlagen auf dem Dach, Regenwasserzisterne und vielleicht auch ein Erdwärmespeicher. Dass die Sanierung einen super guten Schritt in diese Richtung gegangen ist. Ich hoffe es klappt, gerade, da wir auch noch etwas Sorgen hatten, ob genug Geld vorhanden ist. Aber zum Glück haben wir ja jetzt noch Fördermittel vom Denkmalschutz bekommen.

All das schwebt noch im Raum umher und wie genau unser Haus am Ende aussieht, könnt nur ihr uns sagen. Es liegt noch ein ganz schöner Weg vor uns hier in 2022. Doch ich bin so voller Freude und Energie, wenn ich darüber nachdenke, was alles noch auf uns zukommt und was wir der zukünftigen Generation ermöglichen können. Nämlich nicht nur ein nachhaltiges Leben in einem Haus das nachhaltig ist, sondern ein nachhaltiges alternatives Leben in Gemeinschaft.

Nun habe ich auch schon genug geschrieben, ich weiß gar nicht ob der Brief nicht schon viel zu lang geworden ist. Ja was bleibt noch zu sagen? Genießt die Zeit, die ihr habt, macht was draus und ich hoffe euch geht's gut.

Eure ESA-Mitbewohnerin
Marie